Wenn heute das Wort Hanf fällt, begegnet mir oft zuerst Skepsis. Manchmal reicht ein Halbsatz, und schon ist der Impuls da, sich innerlich abzuwenden. Dieses reflexhafte „Damit will ich nichts zu tun haben“ hat selten mit der heutigen Pflanze und schon gar nichts mit CBD zu tun, sondern mit überlieferten Bildern, die sich hartnäckig halten. Genau deshalb lohnt es sich, Hanf nicht über alte Vorstellungen zu beurteilen, sondern über das, was er biochemisch tatsächlich ist. Erst dann entsteht der Raum, nüchtern zu entscheiden, welche Variante – Vollspektrum oder THC-frei – zum eigenen Leben passt.
Hanf bildet in seinen Blüten eine komplexe Familie von Cannabinoiden. CBD, THC, CBG und weitere Verbindungen gehen alle aus derselben Vorstufe hervor, dem CBGA. Unser Körper besitzt ein eigenes Regulationsnetz dafür: das Endocannabinoid-System. Es umfasst Rezeptoren im Gehirn, im Immunsystem und im Stoffwechsel und sorgt dafür, dass Reize stabil bleiben, Stressreaktionen gedämpft werden, Entzündungen sich regulieren und Schlaf wie Stimmung in einer gesunden Balance bleiben.
CBD wirkt in diesem System, ohne den Kopf zu verändern. Es moduliert Signale und unterstützt die körpereigenen Ausgleichsmechanismen. THC hingegen bindet stark an den CB1-Rezeptor im Gehirn und erzeugt jene Verschiebungen in der Wahrnehmung, die als Rausch beschrieben werden. Das ist keine kulturelle Zuschreibung, sondern eine klar messbare Bindungsreaktion. Genau deshalb ist THC psychoaktiv – und CBD nicht.
Wenn man die Pflanze extrahiert, bleibt dieses natürliche Profil erhalten. Selbst Nutzhanf enthält eine gesetzlich definierte, winzige THC-Spur, die keinen Rausch auslösen kann, aber zur Pflanzenmatrix gehört. Vollspektrum-Extrakte bewahren diese Matrix. Broad-Spectrum-Varianten entfernen das THC technisch, während Cannabinoide und Terpene erhalten bleiben. Die Entscheidung zwischen beiden Formen hat weniger mit Philosophie zu tun als mit Alltag: Für manche Menschen geht es um Wahlfreiheit, für andere um berufliche Konsequenzen.
Gerade in Nulltoleranz-Berufen ist diese Unterscheidung entscheidend. Polizisten, Pilot:innen, Chauffeur:innen, Sicherheitsmitarbeitende oder Leistungssportler:innen wollen selbst die theoretische Möglichkeit eines THC-Nachweises ausschliessen. Broad Spectrum ist für sie keine Alternative aus Neigung, sondern eine Notwendigkeit. Die Bezeichnung als „Sportöl“ erklärt sich genau daraus und nicht aus einer besonderen Eignung für körperliche Leistung.
Wer sich dann vertieft mit der Pflanze befasst, stösst schnell auf eine bemerkenswerte biologische Besonderheit: Es gibt in der gesamten Natur keine zweite Pflanze, die echte Cannabinoide wie CBD, CBG oder THC bildet. Nur Hanf besitzt das Enzymsystem, das aus CBGA diese Moleküle entstehen lässt. Die häufig genannten Alternativen – Schokolade, Hopfen, bestimmte Moose – enthalten keine Cannabinoide. Ein japanisches Lebermoos bildet ein Molekül, das strukturell entfernt an THC erinnert, aber biologisch völlig anders wirkt. Naturbelassene Cannabinoide sind ein Alleinstellungsmerkmal des Hanfs.
Vom Hippie in die Neuzeit
Mit diesem wissenschaftlichen Fundament lässt sich die historische Perspektive besser einordnen. In den 60er- und 70er-Jahren gelangte ein grosser Teil des konsumierten Cannabis als Haschisch aus Afghanistan, Marokko oder dem Libanon nach Europa – dunkle, ölige Harzplatten mit deutlich höherem THC-Gehalt als der damals verfügbare Blütenhanf. Diese Substanzen prägten das kulturelle Bild der Hippie-Ära. In den 80er- und 90er-Jahren verschob sich die Szene erneut, als Indoor-Zuchten und Überzüchtung die THC-Werte weiter ansteigen liessen – teils bis weit über zwanzig Prozent. Für die Öffentlichkeit entstand ein eindeutiges Bild: Hanf war eine Droge. Differenzierungen gab es nicht.
Aus dieser Vergangenheit entstand die rechtliche Landschaft, die heute noch wirkt. Gesetzgeber betrachteten Hanf fast ausschliesslich über seinen THC-Gehalt, weil THC als psychoaktives Molekül im Mittelpunkt stand. CBD spielte damals kaum eine Rolle, weil seine Eigenschaften noch weitgehend unbekannt waren. Moderne CBD-Produkte bewegen sich daher oft in Strukturen, die ursprünglich für völlig andere Substanzen geschaffen wurden.
Heute wird diskutiert, ob diese historischen Kategorien noch zur modernen Biochemie passen. Fachleute argumentieren, dass CBD weder Rausch noch Abhängigkeit erzeugt und aus genetisch völlig anderen Pflanzenlinien stammt als die THC-reichen Sorten vergangener Jahrzehnte. Auch wenn diese Debatte die Rechtslage aktuell nicht verändert, zeigt sie doch, wie weit wissenschaftliche Realität und kulturelle Wahrnehmung inzwischen auseinanderliegen.
Für mich ergibt sich daraus ein klarer Gedanke: Die Pflanze hat eine bewegte Geschichte, aber ihre heutige Bedeutung beruht auf gut nachvollziehbarer Biologie – nicht auf alten Bildern. Wer diese Entwicklung versteht, kann die Vergangenheit einordnen und ruhig entscheiden, welche Variante – Vollspektrum oder THC-frei – zum eigenen Leben passt.
In diesem Sinne wünsch ich Euch auch ohne THC viele berauschende Begegnungen mit CBD-interessierten Menschen.
Eure Hannah
