Wenn wir über CBD sprechen, steht oft das Cannabidiol selbst im Mittelpunkt – seine Wirkungsweise, seine Anwendungsmöglichkeiten, seine rechtliche Einordnung. Doch wer sich wissenschaftlich mit der Hanfpflanze beschäftigt, kommt an einer weiteren spannenden Stoffgruppe nicht vorbei: den Terpenen. Diese flüchtigen Moleküle sind nicht nur verantwortlich für den charakteristischen Duft von Hanf, sondern tragen auch wesentlich zur Gesamtwirkung eines CBD-Produkts bei.
Was sind Terpene – chemisch betrachtet?
Terpene sind aromatische Kohlenwasserstoffe, die in den Harzdrüsen vieler Pflanzen vorkommen – nicht nur im Hanf, sondern auch in Zitrusfrüchten, Nadelbäumen, Kräutern und Blüten. Sie gehören zur größeren Stoffklasse der Isoprenoide und lassen sich in verschiedene Gruppen unterteilen, je nachdem, wie viele Isopreneinheiten sie enthalten. Die meisten Terpene im Hanf zählen zu den Monoterpenen (zwei Isopreneinheiten) oder Sesquiterpenen (drei Isopreneinheiten).
Pflanzen produzieren Terpene aus evolutionärer Sicht vor allem als Schutzmechanismus: Sie dienen dazu, Schädlinge fernzuhalten, Bestäuber anzulocken oder oxidative Stressreaktionen abzufedern. Für den Menschen eröffnen sie hingegen einen faszinierenden therapeutischen Zugang – insbesondere im Zusammenspiel mit Cannabinoiden.
Der Entourage-Effekt – mehr als nur eine Hypothese
Ein zentrales Konzept in der Phytocannabinoid-Forschung ist der sogenannte Entourage-Effekt, ein Begriff, der erstmals 1998 von Mechoulam und Ben-Shabat beschrieben wurde. Er beschreibt die synergetische Wirkung von Cannabinoiden, Terpenen und anderen sekundären Pflanzenstoffen, die gemeinsam eine stärkere oder differenziertere Wirkung entfalten können als isolierte Einzelstoffe.
Mehrere präklinische Studien, etwa von Russo (2011), zeigen, dass bestimmte Terpene neuroprotektive, entzündungshemmende, angstlösende oder schmerzlindernde Eigenschaften besitzen – und dass sie diese Wirkung im Zusammenspiel mit CBD potenzieren können. Der therapeutische Mehrwert ergibt sich also nicht allein aus dem Cannabidiol-Gehalt, sondern ebenso aus dem qualitativen Terpenprofil eines Produkts.
Vier Terpene im Fokus – Struktur, Wirkung, Potenzial
Im Folgenden ein wissenschaftlich fundierter Überblick über einige der wichtigsten Terpene, die in CBD-Produkten vorkommen können:
Myrcen (C₁₀H₁₆) ist eines der am häufigsten vorkommenden Terpene in Cannabis sativa. Es hat einen erdig-würzigen Geruch, der an Moschus und Nelken erinnert. Myrcen wird eine sedierende, muskelentspannende Wirkung zugeschrieben. In Tierstudien zeigte es anxiolytisches Potenzial (Rao et al., 2011). Es könnte zudem die Bioverfügbarkeit von Cannabinoiden erhöhen, da es vermutlich die Blut-Hirn-Schranke durchlässiger macht – ein bislang noch unzureichend erforschter, aber viel diskutierter Mechanismus.
Beta-Caryophyllen (C₁₅H₂₄) ist ein Sesquiterpen mit einem charakteristisch würzig-pfeffrigen Aroma. Anders als andere Terpene kann es direkt an den CB2-Rezeptor des Endocannabinoid-Systems binden – eine Besonderheit, die in Studien (Gertsch et al., 2008) nachgewiesen wurde. Es wirkt nachweislich entzündungshemmend und schmerzlindernd und zeigt Potenzial im Bereich der chronischen Schmerztherapie, ohne psychoaktive Effekte auszulösen.
Bisabolol (C₁₅H₂₆O) ist vor allem aus der Kamille bekannt und verströmt einen sanften, blumigen Duft. In CBD-Produkten ist es weniger dominant, aber hochinteressant. Es besitzt antibakterielle, antioxidative und hautberuhigende Eigenschaften und wird in der Dermatologie bereits therapeutisch eingesetzt (de Paiva et al., 2018). Es könnte besonders bei topischer Anwendung mit CBD synergistisch wirken, z. B. bei entzündlichen Hautzuständen.
Pinene (C₁₀H₁₆) – vor allem das Alpha-Pinen – ist das am häufigsten vorkommende Terpen in der Natur. Es erinnert olfaktorisch an Nadelwald. Studien zeigen eine mögliche bronchienerweiternde, antimikrobielle und kognitive Wirkung. Besonders spannend: Pinen hemmt vermutlich den Abbau des Neurotransmitters Acetylcholin, was konzentrationsfördernde Effekte haben könnte (Ryu et al., 2016). In Kombination mit CBD ergibt sich dadurch ein interessantes Anwendungsfeld bei mentaler Erschöpfung oder Reizüberflutung.
Wie werden Terpene aufgenommen – und wie effektiv ist das überhaupt?
Terpene sind lipophil, das heißt, sie lösen sich gut in Fetten – was ideal ist, wenn sie zusammen mit einem öl-basierten CBD-Produkt eingenommen werden. Über die orale Aufnahme gelangen sie zunächst in den Verdauungstrakt, werden dort metabolisiert und gelangen anschließend über die Leberpassage in den Blutkreislauf. Studien deuten darauf hin, dass einige Terpene, insbesondere Myrcen und Pinen, auch bei oraler Einnahme eine systemische Wirkung entfalten können – wenngleich die Bioverfügbarkeit je nach Molekülstruktur stark variiert.
Ein besonders effektiver Weg der Terpenaufnahme ist die inhalative Anwendung – etwa über Vaporizer oder Aromatherapie. Hier gelangen die Moleküle über die Lunge direkt in den Blutkreislauf, was eine schnellere und intensivere Wirkung ermöglichen kann. Allerdings sind nicht alle Terpene hitzestabil, daher muss die Temperatur exakt auf das jeweilige Terpen abgestimmt sein, um eine Zersetzung zu vermeiden.
Auch die transdermale Anwendung spielt zunehmend eine Rolle, vor allem in Kombination mit CBD-Cremes oder Balsamen. Hier können Terpene ihre lokalen Effekte auf Haut und Gewebe entfalten, insbesondere wenn lipophile Trägersubstanzen vorhanden sind.
Terpene sind weit mehr als nur Duftstoffe – sie sind funktionelle, pharmakologisch relevante Pflanzenstoffe, die in CBD-Produkten gezielt genutzt werden sollten. Wer die Wirkung von CBD besser verstehen oder für sich individuell anpassen möchte, sollte deshalb nicht nur auf den Cannabinoidgehalt achten, sondern auch auf das Terpenprofil eines Produkts.
Die Forschung steht zwar vielerorts noch am Anfang, doch die bisherigen Erkenntnisse legen nahe: Die Zukunft der Phytotherapie liegt nicht in isolierten Molekülen, sondern in komplexen Pflanzenkompositionen, in denen Cannabinoide und Terpene gemeinsam wirken.