Das Endocannabinoid-System (Teil 2)

Im ersten Teil habt ihr gesehen, wie das Endocannabinoid-System Signale aus verschiedenen Körpersystemen so ausgleicht, dass der innere „Klang“ stabil bleibt – wie ein Tontechniker, der keine Spur zu laut und keine zu leise werden lässt. Gleichzeitig arbeitet dieses Netzwerk wie eine Waage, die nur dann ruhig steht, wenn beide Seiten im Gleichgewicht sind. In diesem zweiten Teil geht es darum, weshalb CBD und CBG genau dort wirksam werden, wo dieses Regelsystem ohnehin arbeitet, wie sie den Körper unterstützen können und warum ihre Wirkung oft subtil, aber biologisch gut nachvollziehbar ist.

Wie CBD in das System eingreift

CBD bindet kaum an CB1 oder CB2. Es wirkt vor allem indirekt, indem es die Rahmenbedingungen verändert, unter denen das Endocannabinoid-System arbeitet. Es beeinflusst Enzyme, die körpereigene Endocannabinoide abbauen, moduliert Signalwege wie Serotonin oder GABA und wirkt stabilisierend auf Entzündungsprozesse. Dadurch glättet CBD Ausschläge, die das System sonst stärker belasten würden. Es verstärkt nicht eine einzelne Richtung, sondern erleichtert dem Körper seine eigene Regulation.

CBG als präziserer Regler

CBG ergänzt diese Mechanismen, jedoch an anderen Stellen. Es wirkt direkter an bestimmten Rezeptoren, unterstützt die Verfügbarkeit körpereigener Endocannabinoide und beeinflusst Signalwege, die für Reizverarbeitung, Schmerz oder entzündliche Prozesse relevant sind. Viele Menschen empfinden CBG als klarer oder stabilisierender – nicht, weil es stärker wäre, sondern weil es punktueller wirkt. Die meisten Erkenntnisse dazu stammen zwar aus Tier- und Zellstudien, doch das Grundprinzip bleibt: CBD und CBG erweitern gemeinsam die Möglichkeiten des Systems, im Gleichgewicht zu bleiben.

THC – ein völlig anderer Mechanismus

THC bindet stark an CB1 und beeinflusst Wahrnehmung und Reizverarbeitung unmittelbar. Es wirkt wie ein Regler, der plötzlich deutlich angehoben wird. Genau deshalb entstehen psychoaktive Effekte. CBD und CBG arbeiten nie auf diese Weise – sie begleiten Prozesse, die der Körper bereits kennt, statt sie zu übersteuern.

Warum die innere Waage kippt

Die Stabilität des Endocannabinoid-Systems hängt von vielen Faktoren ab: chronischer Stress, Schlafmangel, hormonelle Schwankungen, Entzündungsherde, ständige Reizüberflutung oder eine Ernährung mit wenig Omega-3-Fettsäuren können die Balance Schritt für Schritt aus der Mitte drücken. Oft zeigt sich das erst in kleinen Veränderungen: Schlaf, der flacher wird, Reize, die stärker durchgehen, oder Belastung, die länger nachwirkt. CBD und CBG setzen genau dort an und geben dem System eine bessere Ausgangslage, um wieder in die Mitte zu finden.

Dosierung als Frage der Balance

Eine niedrige Dosierung wirkt wie ein leichtes Nachjustieren, das vor allem im Alltag unterstützt. Höhere Mengen können sinnvoll sein, wenn die Belastung akut stärker ist. Deshalb reicht vielen eine moderat dosierte Grundbegleitung, während sie in bestimmten Situationen – Prüfungen, belastenden Ereignissen, Reisen, Höhenangst oder Schlafphasen – temporär mehr benötigen. Es geht nie darum, „mehr zu spüren“, sondern darum, Ausschläge abzufangen, wenn sie entstehen.

Was man an Tieren besonders gut erkennt

Wenn ich verstehen möchte, wie sensibel das Endocannabinoid-System arbeitet, schaue ich oft auf meinen Mischlingsrüden Finn. Tiere reagieren unverfälscht: Sie können sich nichts einreden, erwarten keine Wirkung und setzen keine bewussten Strategien ein, um sich zu beruhigen. Ihr Verhalten entsteht direkt aus biologischen Abläufen – aus Nervenreflexen, hormonellen Stressachsen und Schutzmechanismen, die evolutionär tief verankert sind. Genau deshalb zeigen Tiere sehr klar, wann ein Reiz die innere Balance ins Wanken bringt und wann ihre körpereigene Regulation stabil greift.

Bei Hunden läuft eine Stressreaktion innerhalb weniger Sekunden ab. Ein unerwarteter Knall genügt, und der Körper schaltet sofort auf Alarm: Adrenalin steigt abrupt an, kurz darauf folgt Cortisol über die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse. Während Adrenalin schnell wieder sinkt, kann der Cortisolspiegel beim Hund 6 bis 24 Stunden erhöht bleiben. Ein einzelner Schreck kann also fast einen ganzen Tag im Organismus nachwirken – das beobachte ich bei Finn immer wieder. Auch wenn er äusserlich wieder ruhig wirkt, spüre ich an seiner Körperspannung, dass der Stress biologisch noch nicht vollständig abgeklungen ist.

Natürlich haben Hunde eigene Wege, sich zu regulieren: ruhiges Liegen, Nähe suchen, schnüffelnde Erkundung, kleine ritualisierte Bewegungen. Doch bei starken oder wiederholten Belastungen reichen diese Mechanismen nicht immer aus. Hier wird die Rolle des Endocannabinoid-Systems besonders sichtbar: Es dämpft überaktive Stresssignale, stabilisiert neuronale Netzwerke und hilft dem Körper, schneller aus dem Alarmmodus zurückzufinden.

CBD setzt genau dort an. Es verlängert die Verfügbarkeit körpereigener Endocannabinoide, moduliert Stress- und Angstsignalwege und glättet Spitzen, die sonst stärker durchschlagen würden. Bei Finn ist das gut zu erkennen: Wenn ich ihn einige Tage oder Wochen vor Silvester unterstütze, reagiert er insgesamt gefasster – nicht benommen, sondern einfach weniger überflutet. Und am Silvesterabend selbst kann eine etwas höhere, situativ angepasste Menge helfen, die akute Belastung abzufedern, ohne seine Wachheit zu dämpfen.

Gerade bei Tieren sind Erfahrungsberichte besonders eindrücklich, weil ihre Reaktionen unverstellt sind. Sie zeigen ohne Umwege, was im Körper passiert – ohne Placebo, ohne Erwartung, ohne bewusste Kontrolle. Das macht deutlich, wie fein das Endocannabinoid-System arbeitet und wie spürbar es entlastet wird, wenn es Unterstützung erhält.

Wo und wann ist der Einsatz von CBD sinnvoll?

In der Forschung taucht CBD immer wieder im Zusammenhang mit Erkrankungen auf, bei denen genau jene Prozesse betroffen sind, die eng mit dem Endocannabinoid-System verknüpft sind. Am besten untersucht ist der Einsatz von hochreinem CBD bei bestimmten Epilepsieformen wie dem Dravet- oder Lennox-Gastaut-Syndrom. Hier liegen mehrere grosse, kontrollierte Studien vor, und ein CBD-Arzneimittel wurde dafür zugelassen. Die Wirkung betrifft vor allem die Stabilisierung von Nervenzellen und die Regulierung überaktiver Signalwege.

Auch bei Multipler Sklerose spielt das Endocannabinoid-System eine nachweisbare Rolle – insbesondere bei Schmerzverarbeitung, Muskeltonus und Entzündungsreaktionen. In der Praxis wird hier vor allem ein THC:CBD-Spray eingesetzt, dessen Effekt auf die Spastik gut dokumentiert ist. Es zeigt, wie eng Nervensystem, Immunreaktionen und Cannabinoid-Rezeptoren in dieser Erkrankung miteinander verbunden sind.

Darüber hinaus richtet sich der Blick der Forschung zunehmend auf Erkrankungen, bei denen Entzündungen, oxidativer Stress oder neuronale Belastungen eine zentrale Rolle spielen – etwa bei Arthrose, rheumatischen Beschwerden, Alzheimer oder Parkinson. Viele dieser Erkenntnisse stammen bislang aus Tier- oder Zellstudien oder aus kleinen klinischen Untersuchungen. Sie deuten darauf hin, dass CBD dort Prozesse unterstützt, die der Körper selbst nutzt, um Entzündungen zu begrenzen, Nervenzellen zu stabilisieren oder überaktive Signale abzufangen. CBD ersetzt keine Therapie, wirkt aber an biologischen Mechanismen, die bei diesen Erkrankungen nachweislich verändert sind.

Äussere und innere Anwendung

CBD-Öle, die über die Mundschleimhaut aufgenommen werden, gelangen schnell in den Blutkreislauf. Sie eignen sich besonders für Zeiten erhöhter mentaler Belastung, Schlafstörungen oder innere Unruhe.
Äusserlich angewendet – etwa als Creme, Gel oder Pflegeprodukt – wirkt CBD lokal, weil die Haut ein eigenes Netzwerk aus Cannabinoid-Rezeptoren besitzt. Hier steht weniger die systemische Wirkung im Vordergrund, sondern die Regulation direkt im Gewebe, etwa bei Spannungszuständen oder lokalen Entzündungsprozessen.
Gele und Sprays für die Mundhöhle liegen dazwischen: Sie unterstützen die Schleimhäute, ohne geschluckt zu werden, und eignen sich für Menschen, die eine sehr sanfte Form der Regulation bevorzugen.

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Brauche ich CBD?

Manche Menschen profitieren von einer täglichen Unterstützung, weil ihr Endocannabinoid-System viel ausgleichen muss. Andere benötigen CBD nur punktuell, wenn das Leben lauter wird oder die Balance ins Wanken gerät. Und manche kommen lange ohne aus.

Was sich jedoch durch alle Gruppen zieht: Unterstützung tut diesem Netzwerk gut – unabhängig von der Ausgangslage. CBD ersetzt keine eigene Fähigkeit, aber es erleichtert Abläufe, die der Körper täglich leisten muss. Es glättet Spitzen, schafft Puffer und hilft der inneren Balance, schneller zurückzufinden. Gerade in Phasen erhöhter Belastung – wenn Stress, Reize oder innere Anspannung stärker sind als sonst – kann CBD dem System die Entlastung geben, die es in diesem Moment braucht. Es geht also weniger darum, ob man CBD „braucht“, sondern darum, wie viel Stabilität, Ruhe und Belastbarkeit man dem eigenen System zugestehen möchte – im Alltag ebenso wie in Situationen, die den Körper besonders fordern.

Mein persönlicher Ausblick

Für mich bleibt dieses Thema faszinierend. Das Endocannabinoid-System ist eines der spannendsten biologischen Netzwerke unserer Zeit, und wir stehen erst am Anfang dessen, was die Forschung darüber versteht. Also werde ich auch weiterhin mit hoffentlich spannenden Geschichten, Einsichten und Neuigkeiten rund um das Thema Endocannabinoide und dessen System informieren – verständlich, wissenschaftlich und ohne Mythen. Denn Aufklärung ist der erste Schritt zu einem bewussten Umgang mit all den Möglichkeiten, die uns die Natur bietet.

In diesem Sinne: Weiter geht’s.
Eure Hannah


Glossar:

Endocannabinoid-System (ECS)
Körpereigenes Regulationsnetzwerk, das Stress, Schlaf, Stimmung, Schmerz und Immunreaktionen ausgleicht.

Endocannabinoide
Vom Körper selbst gebildete Cannabinoide wie Anandamid und 2-AG. Wirken nur dann, wenn sie gebraucht werden.

Exogene Cannabinoide
Cannabinoide, die von aussen kommen – etwa CBD, CBG oder THC aus der Pflanze. Sie ergänzen oder modulieren das körpereigene System.

Endogene Cannabinoide
Cannabinoide, die der Körper selbst herstellt. Sie steuern kurzfristig Prozesse wie Stressverarbeitung, Schmerzregulation und Schlaf.

CB1 / CB2
Rezeptoren des ECS:
CB1 im Nervensystem, CB2 im Immunsystem und in entzündungsaktiven Geweben.

CBD (Cannabidiol)
Nicht-psychoaktives Cannabinoid. Unterstützt das ECS durch Stressmodulation, Entzündungsregulation und Stabilisierung von Nervensignalen.

CBG (Cannabigerol)
Wird als punktueller wirkender Begleiter von CBD erforscht. Frühdaten deuten auf entzündungshemmende und nervenschützende Effekte.

THC
Psychoaktives Cannabinoid. Wirkt direkt auf CB1 und verändert Wahrnehmung.

Homöostase
Innere Balance des Körpers – das Gleichgewicht, das das ECS stabil hält.

Transdermal / sublingual
Über die Haut (transdermal) wirkt lokal.
Unter der Zunge (sublingual) gelangt schnell in den Blutkreislauf.

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